Frühjahrstour 2019
Das Südviertel in Marburg – Entstehung, Besonderheiten und Jugendstilelemente
Am 25.5.2019 trafen sich die Teilnehmer zum diesjährigen Marburg-Erlebnis gegen 13 Uhr vor dem Staatsarchiv am Friedrichsplatz. Bei diesem Rundgang durch das Südviertel führte uns – wie in den vergangenen Jahren auch – Frau Christiane Peters.
Das Südviertel entstand nach Plänen von 1875 am Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Es wird begrenzt durch die Lahn, den Fronhof und den Schwanhof. Das zum Teil ursprünglich dem Deutschen Orden zugeteilte Gebiet musste zu Bebauungszwecken gegen die Lahn mit Dämmen geschützt werden bei gleichzeitiger Aufschüttung von Erdmassen. Man erkennt heute noch, dass einige Gärten sehr tief liegen.
Die mehrstöckigen Häuser aus Sandstein mit Garten und Vorgarten waren die Basis für ein recht einheitlich geprägtes Gesamtbild. Selten sieht man untypische Backsteinbauten und Häuser, die Stilelemente des Historismus zeigen. Marburg war 1866 mit Hessen-Nassau an Preußen angegliedert bzw. von Preußen annektiert worden. Die Stadt mit damals 6.000 Einwohnern und ca. 200 Studenten wurde zu einer Stadt mit eigener Garnison, und somit fehlte Wohnraum für Bedienstete und bei gleichzeitiger Erweiterung der Universität auch für Professoren.
Mit der Bebauung des Südviertels begann dann ein beachtlicher Aufschwung in Marburg. Um 1900 hatte sich die Zahl der Einwohner verdreifacht und die der Studenten verzehnfacht! Frau Peters konnte uns am Grün, dessen Name sich vom Begriff „Grint, an dem Grinde“ also quasi von Feuchtgebiet ableitet, ein tolles Beispiel für Historismus in der Nähe der ehemaligen Zollstation aufzeigen (Foto A).
In der Wilhelmstraße zeigte sie uns ein normales Haus mit aufgesetztem Fachwerkgiebel, das der Architekt August Dauber bauen ließ. In der Wilhelmstraße entstand auch ein Gefängnisgebäude, das nahezu 100 Jahre diese Funktion inne hatte. Beeindruckend waren natürlich die wenigen Fassaden mit Jugendstilelementen (Fotos B und C) und die knetartig wirkenden Säulen an einem Gebäude (Baujahr 1909) der damals entstandenen neuen Jägerkaserne mit dem Jägerbataillon Nr. 11 in der Frankfurter Straße (Foto D). Das heute als Psychologisches Institut der Universität bekannte Gebäude an der unteren Gutenbergstraße/Jägerstraße diente ursprünglich als Wohnraum für Soldaten.
Am Ende des Rundganges erreichten wir wieder das Staatsarchiv, das 1869 als Zusammenschluss von ehemaligen kurhessischen Archiven gebildet wurde und zunächst im ursprünglich als Zuchthaus genutzten Landgrafenschloss untergebracht war. Erst nach dem 1. Weltkrieg entstand 1938 das Archivzweckgebäude mit Vorbau und Balkon am Friedrichsplatz. Hier sprach Frau Peters von Nazi-Architektur.
90 Minuten nach dem Start des Rundganges waren jetzt vergangen. Wir bedankten uns für die großartigen Erläuterungen zum Südviertel und konnten anschließend noch im Cafe AROMA am Schwanhof den Abschluss dieser gelungenen Erkundung vertiefen.