Martin Luther begleitete die Ehemaligen durch Marburg

Am Samstag, den 13. Mai gegen 14:30 Uhr trafen sich die Ehemaligen beim Kornmarkt in der Reitgasse. Diesmal durften wir 2 neue Gesichter begrüßen. Jeanette und ihre Schwester Symone. Mit dabei waren auch wieder Volker mit Aurelija und den Jungs, die diesmal sehr aufmerksam zuhörten. Frank und Regina, Jenny mit Markus, Eckhard, Jörg und Julianna und nicht zu vergessen unser Vorsitzender Manfred, der auch noch diesen Bericht schreiben durfte.  

 

Martin Luther ist am 30. September 1529 mit seinem Tross über die Weidenhäuser Brücke durch das Lahntor zur Reitgasse gelangt. Vorbei an der Universitätskirche führte sein Weg zum Marktplatz mit dem gerade fertig gestellten neuen, weiß verputzten Rathaus. Anlass genug für unsere sehr kompetente Stadtführerin, die Kunsthistorikerin und Museumspädagogin Christiane Peters, uns „auf den Spuren Martin Luthers und der Reformation in Marburg“ zuerst in diese erste Kirche der Reformation zu führen, um uns in die Anfangszeiten der Reformation zu „versetzen“!

Die frühgotische auf Felsen stehende Hallenkirche aus dem 13. Jahrhundert wurde als Klosterkirche der dort angesiedelten Dominikaner-Mönche erbaut. Das Wahrzeichen, der Hund, als Symbol für die „Hunde des Herrn: domini carnes“ ist noch heute an einem Dachrand zu sehen (Foto). Sie lebten und arbeiteten dort bis zur Einführung der Reformation in Hessen durch den jungen Landgraf Philipp I.  Mit der Abschaffung der Mönchsorden in Hessen 1526 wurden die Kirche und das Kloster Bestandteil der neu gegründeten Philipps-Universität. Damit bekam die Kirche nun auch den Namen Universitätskirche

Frau Peters erläuterte in der Kirche die Folgen der Reichstage zu Worms (1521) – Philipp war da gerade einmal 16 Jahre alt und schon 3 Jahre Landgraf – und Speyer (1526). Beim zu Letzt genannten wurde beschlossen, die Entscheidungsrechte in Glaubensfragen auf die einzelnen Reichsstände zu  übertragen. Dies konnte vor allem im Umfeld der Türkengefahr (erste Belagerung Wiens 1529) geschehen, die Kaiser Karl V  veranlassten, seinem Bruder Ferdinand den Vorsitz  dieses Reichstages zu übertragen, was zu  diesen Lockerungen in der Glaubensfrage führte. Für Karl V  waren zu dieser Zeit die reichsinternen Konflikte der katholischen und lutherischen Lager offenbar weniger bedeutend. Somit kam es also zu den Auflösungen auch der Marburger Klöster der Dominikaner und Franziskaner mit Beschlagnahme der Vermögen. Die Priester mussten außerdem die Messen in Deutsch halten und wurden dabei streng, auch von der Bevölkerung, kontrolliert. Um die hessischen Kirchen, die Philipp unterstellt waren, mit reformierten Kräften, sprich neuen Priestern, zu versorgen, diente dann auch die Gründung der Universität. Jeder Kirche wurde ab 1527 die neue übersetzte Bibel zur Verfügung gestellt.

Unser Weg führte uns anschließend am Marktplatz vorbei in die Barfüßer Straße. Dort  befand sich 1529 der „Gasthof zum Bären“ neben dem Bärenbrunnen (Foto).

Das am ehemaligen Gasthofhaus angebrachte Schild (Foto) ist aber falsch. Luther machte hier wohl nur eine Rast vor seinem Ritt über die Ritterstraße und die heutige Landgraf-Philippstraße zum Schloss, wo er bis zum 5. Oktober 1529 lebte und übernachtete. Insgesamt war der Reformator 6 Tage in Marburg

Wir setzten unseren Spurenweg bis zu Ende der Barfüßer Straße fort. Frau Peters zeigte uns unterhalb des heutigen IFL die damaligen Besitzungen der Franziskaner, die nach der Auflösung des Klosters beleidigt kaum wertvolle Bestände mitnahmen/mitnehmen konnten. Hier wurden danach die Gebäude u.a. auch für anatomische Untersuchungen der Medizin-Fakultät mit öffentlichem Zugang umgewidmet genutzt. 

Wir stiegen dann über die das Gehrengäßchen und die Kugelgasse zur Kugelkirche hinauf. Baubeginn war 1491 (Foto), die Fertigstellung 1520. Diese Kirche, die zum Kloster der ehemaligen Kugelherren (sie trugen eine Mütze mit langem Zipfel „Gugel“ genannt)  gehörte, diente nach der Auflösung dieses Klosters ab 1527 als Aula bzw. Hörsaal der theologischen Fakultät der Universität. Erst ab dem 19. Jahrhundert dient sie der katholischen Gemeinde als katholische Kirche. 

Die letzte Kirche auf dem Weg zum Schloss ist die Lutherische Pfarrkirche (Turm-Foto), auch St.-Marien-Kirche genannt. Ihre Besonderheit im Namen verdankt sie der Tatsache, dass in der Landgrafschaft Hessen durch Philipp I. die lutherische Reformation eingeführt wurde. Nach Philipps Tod erfolgte jedoch eine Aufteilung unter den Söhnen, wobei Hessen-Marburg zu Hessen-Kassel mit Landgraf Moritz kam. Dieser gehörte aber dem reformierten Bekenntnis an. Trotz großer Einflussnahme durch die Reformierten in Marburg blieb ein Großteil der Bevölkerung lutherisch und mit dieser Kirche verbunden. 

Wir benutzten anschließend auf „unserem Lutherweg“ die damals noch nicht existierende Ludwig-Bickell-Treppe (Fotos), um am Bückingsgarten vorbei zum Schloss zu gelangen. 

Der eigentliche Anlass für Luthers Reise nach  Marburg war die 4 Tage dauernde (1. bis 4. Okt. 1529) Theologenversammlung im Schloss, zu der der Landgraf  Luther, Zwingli, Melanchthon und andere geistliche Führer der Reformation eingeladen hatte. Mit dem Zürcher Zwingli ging es vor allem um die Abendmahlsfrage. Es wurden letztendlich die sogenannten 15 Marburger Artikel gemeinsam verabschiedet. Diese Artikel hatte uns Frau Peters bereits in der Kugelkirche als Kopien zum Studieren ausgeteilt. 

Keine wirkliche Einigung konnte man aber bezüglich der Abendmahlslehre und seiner Ausgestaltung/Handhabung (Artikel 15) erzielen. 

 „und wiewohl aber wir uns, ob der wahre Leib und das wahre Blut Christi leiblich in Brot und Wein sei, diesmal nicht verglichen haben, so soll doch ein Teil gegen den anderen christliche Liebe, sofern jedes Gewissen immer leiden kann, erzeigen, und beide Teile Gott den Allmächtigen fleißig bitten, dass er uns durch seinen Geist den rechten Gebrauch bestätigen wolle“ (Quelle: Wikipedia). Bis heute besteht diese konfessionelle Spaltung bestärkt durch die Lehre des Reformators Calvin. 

Da inzwischen über zweieinhalb Stunden seit dem Start  an der Universitätskirche vergangen waren, verzichteten wir auf einen Gang zur Schlafstätte Luthers und den Gesprächssaal im Schloss. Mit großen Applaus und herzlichem Dank für die großartige Führung verabschiedeten wir Frau Peters an der Schlossmauer. 

Wie vor knapp einem Jahr nach den Kasematten konnten dann im Bückingsgarten (dieses Mal am großen runden Tisch) unsere weiteren Gespräche erfolgen. Ein Hauptthema war natürlich auch wieder Eckhards ewiger Bundesliga-Verein HSV. Als dieser in der letzten Minute auf Schalke den Ausgleich schaffte, strahlte er kurz vor halb sechs mehr als die sowieso schon toll scheinende Sonne. Thema hier außer Reformation also  auch Relegation

Es hat mir große Freude gemacht diesen Bericht zu schreiben, aber auch einige Bauchschmerzen bereitet, weil ich längst nicht alle Aspekte mit Einzelheiten dieses erlebnisreichen Nachmittages mit Frau Peters verarbeiten/ausführen konnte. 

Ein Tipp für Interessierte: Marburg Tourismus (im Erwin-Piscator-Haus, Biegenstraße) bietet Gästeführungen auch mit diesem Thema an!